Kernaussage des Urteils:
- Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung teilentgeltlich (z. B. durch Schuldübernahme) übertragen, muss der Vorgang in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufgeteilt werden.
- Der entgeltliche Teil ist nach § 23 EStG steuerpflichtig, auch wenn der Veräußerer insgesamt weniger erhält, als er ursprünglich gezahlt hat.
- Die Entgeltlichkeitsquote ergibt sich aus dem Verhältnis von übernommener Verbindlichkeit zum Verkehrswert.
Beispiel zur teilentgeltlichen Grundstücksübertragung:
Ein Vater hat im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 € gekauft (teils fremdfinanziert). Die Immobilie war vermietet.
Im Jahr 2019 überträgt er das Grundstück an seine Tochter. Dabei übernimmt die Tochter das noch bestehende Bankdarlehen von 115.000 €.
Der Verkehrswert der Immobilie zum Zeitpunkt der Übertragung beträgt 210.000 €.
Wie wird das steuerlich bewertet?
Der BFH sieht in der Übernahme der Schulden eine Gegenleistung – also eine teilentgeltliche Übertragung.
🔸 Entgeltlicher Anteil:
115.000 € (übernommene Schulden) entsprechen 54,76 % des Verkehrswerts (210.000 €).
🔸 Unentgeltlicher Anteil:
Die verbleibenden 45,24 % gelten als Schenkung.
Da zwischen Anschaffung (2014) und Übertragung (2019) weniger als 10 Jahre liegen, ist der entgeltliche Teil steuerpflichtig nach § 23 EStG.
Ermittlung des steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns:
Rechnungsschritt | Wert (anteilig für 54,76 %) |
Veräußerungserlös (Schuldenübernahme) | 115.000 € |
Anschaffungskosten anteilig | –78.828 € |
AfA-Vorteil 2014–2019 anteilig (Wertsteigerung) | +6.672 € |
Abzgl. Vorfälligkeitsentschädigung anteilig | –2.191 € |
Veräußerungsgewinn | 40.653 € |
👉 Dieser Gewinn ist einkommensteuerpflichtig.
Wichtige Folge:
Für die Tochter ergibt sich:
- Für den entgeltlich erworbenen Teil gelten die tatsächlichen Anschaffungskosten (115.000 €) → relevante AfA-Bemessungsgrundlage.
- Für den unentgeltlichen Teil tritt sie in die Fußstapfen des Vaters → sie übernimmt dessen ursprüngliche Anschaffungskosten anteilig (gemäß § 11d EStDV).
Fazit für Mandanten:
Auch scheinbar „familieninterne“ Übertragungen können steuerlich erhebliche Folgen haben. Die Übernahme von Verbindlichkeiten durch Kinder gilt teilweise als Kaufpreis – mit entsprechender Steuerpflicht. Eine sorgfältige steuerliche Prüfung im Vorfeld ist daher dringend zu empfehlen.